Die stille Schluckkrankheit – oft unerkannt

    Die Krankheit eosinophile Ösophagitis (EoE) wurde 1993 erstmals beschrieben – und bleibt bis heute weitgehend unbekannt. Gastroenterologe Thomas Greuter über die häufigste Ursache von Schluckstörungen bei jungen Erwachsenen.

    (Bild: zVg )

    Die chronische Entzündung der Speiseröhre, oft ausgelöst durch Milch oder andere Nahrungsmittel, ist mittlerweile zur zweithäufigsten entzündlichen Speiseröhrenerkrankung geworden – dennoch wird sie häufig übersehen, verharmlost oder falsch behandelt. Thomas Greuter erklärt im Interview, weshalb die Krankheit oft unerkannt bleibt und was sich ändern muss.

    EoE wurde erst 1993 als eigenständige Krankheit anerkannt. Wie hat diese späte Anerkennung das Bewusstsein rund um die Krankheit beeinflusst?
    Dr. med. Thomas Greuter: Die Anerkennung ist nicht spät, denn vor den 80er Jahren gab es diese Erkrankung schlicht nicht. Es handelt sich bei der Publikation von 1993 also um die Erstbeschreibung einer relativ jungen Erkrankung. Eine von 700 Personen leidet an einer EoE.

    In den letzten Jahrzehnten ist eine deutliche Zunahme der Fälle zu beobachten, auf welche Faktoren ist dies zurückzuführen?
    In der Tat hat die Häufigkeit massiv zugenommen. Einerseits suchen wir die Erkrankung häufiger, anderseits liegt auch eine tatsächliche Zunahme vor. Wahrscheinlich hat das mit der veränderten Nahrungsmittelproduktion zu tun, denn die EoE wird praktisch ausschliesslich durch Nahrungsmittel ausgelöst. Die Milch scheint wohl die wichtigste Rolle zu spielen, da sie in etwa 40 Prozent für die EoE verantwortlich ist.

    Wird EoE aufgrund seiner tiefen Bekanntheit manchmal runtergespielt?
    Genau. Viele Patienten und Patientinnen werden mit ihren Beschwerden leider nicht ernst genommen. Aber es gilt: Eine Schluckstörung ist nie normal und gehört immer abgeklärt.

    Warum glauben Sie, dass EoE trotz zunehmender Betroffenenzahlen immer noch relativ unbekannt ist?
    Dies ist auf zwei Faktoren zurückzuführen.

    1. Die EoE ist unter Medizinern und Medizinerinnen weiterhin noch sehr unbekannt.
    2. Zahlreiche Patienten und Patientinnen leiden seit vielen Jahren an der Erkrankung und haben unbewusst sog. Kompensationsmechanismen entwickelt (wie langsames Kauen, Verzichten auf bestimmte fasrige Nahrungsmittel). Dies ist aber problematisch, da eine lange unentdeckte Erkrankung zu Engstellen im Bereich der Speiseröhre führen kann.

    Die Krankheit wird oft als «Asthma der Speiseröhre» bezeichnet. Glauben Sie, dass diese Metapher den richtigen Eindruck von der Krankheit vermittelt?
    Die Metapher Asthma der Speiseröhre hilft, die Erkrankung relativ schnell und einfach zu erklären. In der Tat gibt es sehr viele Überlappungen. Es gibt sogar neuere Medikamente, welche sowohl Asthma als auch EoE gleichzeitig behandeln.

    Neben genetischen Faktoren spielen auch Umweltfaktoren als Ursachen eine Rolle. Welche Faktoren sind diese und inwiefern?
    Die EoE hat eine genetische Komponente. D.h. das Risiko ist erhöht, wenn bereits ein Familienmitglied daran leidet. Das Risiko ist aber selbst dann immer noch überschaubar und liegt bei zwei bis sieben Prozent. Umweltfaktoren sind also wichtiger als die Gene. Wie bereits erklärt, zeigen sich hier die Nahrungsmittel hauptverantwortlich. Diese sind: tierische Milchprodukte, Soja, Weizen/Gluten, Eier, Fisch/Meeresfrüchte, Nüsse und Hülsenfrüchte. Verzichtet man auf all diese Produkte, ist die EoE in der Regel ohne Medikamente ausreichend behandelt.

    Mit einer besseren Diagnostik und der steigenden Zahl der Patienten – wo sehen Sie die grösste Herausforderung für EoE-Patienten in den nächsten zehn Jahren?
    Die Hauptherausforderung liegt in der adäquaten Therapie und Langzeitbehandlung. Die Nachsorge bei einem Spezialisten, welche sich in der Betreuung von EoE Patienten auskennt, ist absolut zentral. Wir hoffen auf Medikamente, welche nicht nur die Entzündung einer EoE behandeln, sondern auch die Engstellen (Strikturen) der Speiseröhre. Hier gibt es noch viel zu tun.

    Interview: Lilly Rüdel

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